„UAS Rehkitz“

Pilotprojekt mit Modellcharakter in der „Multikopterregion Hannover“

Der Einsatz von Koptern in Flugverbotszonen ist eigentlich undenkbar. Kombiniert man jedoch eine sinnvolle Idee mit einem guten Netzwerk, werden undenkbar erscheinende Dinge zuweilen doch möglich. So wie die erfolgreiche Rehkitzdetektion per Drohne in der Flugverbotszone direkt neben dem Hannover Airport. Ein Pilotprojekt mit Modellcharakter, das innerhalb des Businessnetzwerks „Multikopterregion Hannover“ umgesetzt werden konnte – und fünf Rehkitze vor dem sicheren Tod bewahrte.

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200 Meter vor dem Flughafenzaun, 400 Meter vor der Landeschwelle der Passagiermaschinen aus aller Welt: Hier, in direkter Nachbarschaft zum Hannover Airport, herrscht für Drohnen absolutes Flugverbot. Für Landwirt Horst Wehde aus Isernhagen, der die Flächen am Zaun des internationalen Flughafens der niedersächsischen Landeshauptstadt bewirtschaftet, ist das in der Regel kein Problem. Doch wenn es darum geht, vor der Mahd die Wiesen nach im hohen Gras verborgenen Rehkitzen abzusuchen, sieht die Sache anders aus. Hier könnte eine Drohne wertvolle Dienste leisten. Direkt in der Einflugschneise allerdings ein undenkbares Szenario. Oder etwa doch nicht? Denn was auf den ersten Blick nach einem unlösbaren Problem aussieht, wurde im Sommer 2021 zu einem spektakulären Pilotprojekt mit Modellcharakter. Möglich machte dies nicht zuletzt die gute Zusammenarbeit innerhalb der „Multikopterregion Hannover“, eines von der Wirtschaftsförderung Region Hannover geknüpften Netzwerks aus Unternehmen, Behörden und Forschungseinrichtungen.

Intensive Vorbereitung

An zentraler Stelle an der Konzeptionierung und Umsetzung des Vorhabens beteiligt war die En-Tra UG, eine Projektgesellschaft mit großer Erfahrung im Drohneneinsatz unter komplexen Rahmenbedingungen. „Wir kommen immer dann ins Spiel, wenn es kompliziert wird“, erklärt Christian Walter augenzwinkernd, der das Projekt Rehkitzdetektion in Flughafennähe maßgeblich umgesetzt hat. Entscheidend für die erfolgreiche Planung und Realisierung war die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten. So war es nicht zuletzt dank bestehender Kommunikationskanäle möglich, das Ganze im Sinne des Tierschutzes und mit Blick auf künftige Möglichkeiten für gewerbliche Drohneneinsätze in der Nähe von Verkehrsflughäfen zu realisieren. Neben dem Landvolk Hannover, dem Netzwerk Rehkitzrettung Region Hannover, Landwirt Horst Wehde und Christian Walter waren natürlich auch die zuständige Landesluftfahrtbehörde, die Verantwortlichen von Hannover Airport, Bundes- und Landespolizei sowie – last, but not least – die Deutsche Flugsicherung frühzeitig in das Verfahren eingebunden.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei guter Kommunikation und rechtzeitiger Einbindung der Entscheidungsträger vieles, was zunächst kaum machbar erscheint, dann doch zu realisieren ist“, berichtet Christian Walter. So war es möglich, auch vergleichsweise kurzfristig das komplexe Betriebsszenario mit den Entscheidungsträgern abzustimmen. So vergingen zwischen der ersten Idee und den tatsächlichen Detektionsflügen alles in allem gerade einmal fünf Wochen. „Es musste schnell gehen, schließlich muss der Landwirt mähen, wenn die Natur soweit ist“, erläutert Christian Walter. Ganz wesentlich war dabei natürlich der konstruktive Dialog mit der Deutschen Flugsicherung und den Flughafenverantwortlichen. So wurde ein Einsatzprofil entwickelt, das entscheidend auf einer Funkverbindung zwischen den Fluglotsen im Tower und dem Detektionsteam auf der Grünfläche außerhalb des Airport-Geländes basierte.

Ständiger Sprechfunkkontakt

Bei einem ersten Test etwa eine Woche vor dem eigentlichen Einsatztermin setzte Drohnenpilot Christian Walter auf eine Mavic 2 Enterprise Dual mit integrierter Flir-Wärmebildkamera. Als „Zielobjekt“ kam dabei der Jagdhund des Flughafen-Ornithologen Jürgen von Ramin zum Einsatz, der geduldig im hohen Gras wartete, bis er per Thermalkamera ausfindig gemacht wurde. Währenddessen stand Friedrich Wilhelm Bauer von der Hochschule Hannover, Projektlabor für Werkstoffe im Flugbetrieb, jederzeit im Sprechfunkkontakt mit dem Tower. „Wir haben eine eigene Kennung gehabt, waren Teil der allgemeinen Luftraumüberwachung durch die diensthabenden Fluglotsen“, erinnert sich Walter. Näherte sich ein Flugzeug oder stand ein Start auf dem Programm, wurde „UAS Rehkitz“ angefunkt, sodass die DJI-Drohne gelandet werden konnte. „Da wir ständig den Funkverkehr verfolgt haben, waren wir ohnehin über all das unterrichtet, was sich mit Blick auf den Flugbetrieb abspielte“, erläutert der routinierte Profi-Pilot. Der eingesetzte ADS-B-Empfänger tat sein Übriges, um immer auf dem Laufenden zu sein und im Zweifel den Drohneneinsatz zu unterbrechen. „Aber etwa drei- oder viermal kam uns die Aufforderung vom Tower zuvor. Insgesamt hat das System hervorragend funktioniert.”

Nach erfolgreichem Test und der finalen Zustimmung von DFS, Polizeibehörden und Flughafenbetreiber wurde es eine Woche später ernst. Unter regem Interesse einiger Schaulustiger ging es daran, eine etwa 6 Hektar große Fläche in Verlängerung einer der drei Start- und Landebahnen nach Rehkitzen abzusuchen. Um die visuelle Aufklärung zu beschleunigen und das Erkennen der Wärmesignatur der Tiere zu erleichtern, kam diesmal eine DJI Mavic 2 Enterprise Advanced mit ihrer hochauflösenden Thermalkamera zum Einsatz. Genau wie beim Probelauf musste aber auch diesmal zunächst die systemimmanente No-Fly-Zone deaktiviert werden. Denn damit die Drohne in Flughafennähe überhaupt abheben kann, ist ein spezieller Freischaltcode bei der DJI-Konzernzentrale zu beantragen. Nur bei Vorlage einer entsprechenden Genehmigung ermöglicht es DJI den Nutzern seiner Fluggeräte, in einer Flugverbotszone zu starten.

Fortsetzung folgt?

Einmal in der Luft absolvierte die Drohne die Detektionsflüge so, wie es über tausenden anderen Feldern im gesamten Bundesgebiet zur Mahdsaison passiert. Gleich fünf Rehkitze konnten so in Hannover-Langenhagen aufgespürt und vor dem sicheren Tod gerettet werden. Ohne UAV-Einsatz wäre das nur mit erheblich größerem Aufwand möglich gewesen. Und ob menschliche Suchtrupps tatsächlich alle Kitze, die perfekt getarnt und regungslos im Gras kauern ausfindig gemacht hätten, ist fraglich. „Wir hoffen, dass wir mit diesem Projekt den Nachweis erbringen konnten, dass solche Einsätze auch in unmittelbarer Flughafennähe und bei laufendem Flugbetrieb möglich sind, wenn man diese gut vorbereitet und diszipliniert umsetzt“, erklärt Christian Walter zufrieden. „Daher könnte das ganze Modellcharakter auch für andere Flughäfen in Deutschland haben.” Das letzte Wort hat diesbezüglich aber natürlich die Deutsche Flugsicherung. Doch in der „Multikopterregion Hannover“ ist man auf jeden Fall gut gerüstet, auch vor der nächsten Mahd in Langenhagen per Drohne auf Rehkitzsuche zu gehen.

Fotos: En-Tra UG




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