Nachgefragt bei Martin Pietrek, Geschäftsführer von Leichtwerk Research

Nachwachsende Leichtbaumaterialien

Leichte und gleichsam robuste Materialien sind im Fahrzeugbau und in der Luftfahrt sehr gefragt. Schließlich kommt es zuweilen auf jedes Gramm an, um Einsatzzeiten und Reichweiten zu erhöhen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaschutz-Diskussion rücken aber auch nachhaltige Werkstoffe in den Fokus, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe entstehen. Im vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekt „Hocheffiziente, modulare Multikopter auf Basis nachwachsender Rohstoffe“ (HerMes) geht es um die Frage, wie nachwachsende Leichtbaumaterialien für die Gestaltung eines komplexen Luftfahrzeugs genutzt werden können, um dies effizienter und nachhaltiger zu machen. Die Forschungsgesellschaft Leichtwerk Research aus Braunschweig leitet als Verbundkoordinator das Projekt HerMes und bearbeitet die luftfahrttechnische Entwicklung der Drohne, wie Geschäftsführer Martin Pietrek im Interview erläutert. Doch wie viel Gewicht lässt sich mit natürlichen Materialien tatsächlich einsparen? Und wie sieht es mit der Ökobilanz über die komplette Wertschöpfungskette aus? Drones fragt nach.

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Drones: Geht es beim Forschungsprojekt HerMes eigentlich in erster Linie um Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit? Oder steht vor allem das Thema Leichtbau mit den daraus resultierenden Vorteilen beispielsweise in puncto Flugzeit im Zentrum des Interesses?

Martin Pietrek: Wir wollen mit dem Projekt zeigen, dass Nachhaltigkeit und Leichtbau Hand in Hand gehen können. Die von uns eingesetzten Werkstoffe bieten hervorragende Eigenschaften für die Anwendung in der unbemannten Luftfahrt, beispielsweise spezifische mechanische Kennwerte wie Metalle. So ermöglichen sie ultraleichte und zugleich nachhaltigere Strukturbauweisen, als dies etwa mit konventionellen Faserverbundkunststoffen erreichbar ist. Neben der resultierenden höheren Nutzlastkapazität und Flugzeit sind die Materialien zudem oft kostengünstiger als CFK und Co. Die Erkenntnisse des Projekts lassen sich weiterhin auch auf andere Branchen übertragen, die Interesse an Leichtbau haben, beispielsweise Automobil- und Maschinenbau oder auch Hersteller von Sportgeräten.

Für welche Einsatzbereiche beziehungsweise Missionsprofile könnte ein Multikopter aus nachwachsenden Leichtbaumaterialien besonders effektiv eingesetzt werden?

Ein solcher Multikopter eignet sich prinzipiell für die gleichen Missionsprofile wie ein konventionelles Fluggerät. In unserem Fall liegt der Fokus auf Industrieanwendungen mit hohen Ansprüchen an Zuverlässigkeit und Qualität. Unsere Entwicklung berücksichtigt von Beginn an die Anforderungen von sogenannten Medium-Risk-Anwendungen, sodass der Multikopter später bis zum SAIL III/IV qualifiziert und betrieben werden kann. Dadurch wird er insbesondere für BVLOS-Missionen interessant.

Wie viel leichter als ein herkömmlicher Multikopter vergleichbarer Größe wird der HerMes-Kopter eigentlich voraussichtlich sein?

Das Flugsystem soll mit seiner vollständig geschlossenen Bauweise eine spezifische Betriebsleermasse von unter 40 Prozent erreichen. Basierend auf verfügbaren Daten sind wir damit mindestens 10 Prozent leichter als vergleichbare, vollständig qualifizierte Multikopter mit geschlossenen Bauweisen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Airframe mit modernen, computergestützten Simulationsmethoden und experimentellen Prüfungen der Strukturbelastbarkeit vollständig qualifiziert. Systemkomponenten, wie zum Beispiel Antriebe und Akkus, werden im Projekt lediglich zugekauft und nicht weiterentwickelt, obwohl wir auch bei diesen noch Potenziale für Gewichtseinsparungen sehen. Am Ende des Projekts werden wir unser Flugsystem mit einem vergleichbaren konventionellen Multikopter in einer Benchmark-Anwendung vergleichen und ein Fazit ziehen.

Warum fokussieren Sie sich auf die Multikopter-Bauweise? Sind Flächendrohnen für den Einsatz von Leichtbaumaterialien etwa ungeeignet?  

Das hat historische Gründe. Unser Team hatte in der Vergangenheit einen Schwerpunkt auf dem Multikopterbau und viele unserer Kunden benötigen die fliegerische Flexibilität der Multirotoren. Davon unabhängig sind Holz, Naturfaser und dergleichen auch für Flächenflieger bestens geeignet, wie uns der Flugzeugmodellbau seit Jahrzehnten teils eindrucksvoll demonstriert. Gern möchten wir unsere Arbeiten in Zukunft auch in diesem Bereich erweitern und haben Interesse an entsprechenden Kooperationen.

Welche Rohstoffe werden für die Herstellung der Leichtbaumaterialien benötigt? Und werden diese in Deutschland produziert?

Gemeinsam mit großartigen Partnern, wie zum Beispiel dem Fraunhofer WKI, Jowat SE und der Auro AG, entwickeln wir im Projekt HerMes Verbundmaterialien auf Basis von speziellen Holzfurnieren aus heimischen Baumarten sowie Flachsfasermaterial aus Frankreich. Hinzu kommen vollständig biobasierte Oberflächenschutzsysteme sowie Klebstoffe und Harze aus derzeit teilweise biobasierten Rohstoffen. Die Ausgangsstoffe für letztere kommen aus verschiedenen Herkunftsländern. Während im aktuellen Entwicklungsprojekt die technische Machbarkeit der Konstruktion im Vordergrund steht, wird es in einer späteren Serienproduktion von Bedeutung sein, die Lieferketten ebenfalls so zu gestalten, dass sie den Ansprüchen eines nachhaltigeren Produkts genügen.

Stichwort Nachhaltigkeit: Häufig werden Produkte mit einer auf den ersten Blick hervorragenden Ökobilanz dafür kritisiert, dass diese mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette kaum besser oder sogar schlechter abschneiden als herkömmliche Technologien. Wie sieht das mit Blick auf den HerMes-Kopter aus?

Ein Multicopter ist ein komplexes System aus Airframe, Elektronik, Antrieben, Akkus et cetera. Wir betrachten im Projekt HerMes lediglich den Airframe, als ersten Schritt sozusagen. Für diesen haben wir uns zum Ziel gesetzt, eine bessere Ökobilanz zu erreichen als eine vergleichbare Struktur aus CFK. Von besonderer Bedeutung erscheint uns dabei einerseits die Nutzung regenerierbarer Rohstoffe, die endliche fossile Ressourcen wie Erdöl schonen, sowie andererseits die Perspektive, den Airframe am Ende seines Lebenszyklus vollständig recyceln und/oder kompostieren zu können. Dies ist mit Kohlefaser aktuell nicht möglich.

 

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