Nachgefragt bei Dr. Robin Kellermann, Verbundkoordinator des Forschungsprojekts Sky Limits

Lieferdrohnen und Flugtaxis in der Stadt?

Im Kooperationsprojekt Sky Limits gingen die Technische Universität Berlin und die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ der Frage nach, was der Einsatz neuer Luftfahrttechnologien mittel- und langfristig für den städtischen Güter- und Personentransport bedeuten wird. (Lese-Tipp: Umfrage bei Vision Smart City: Volocopter-Akzeptanz hoch) Eine von den Verantwortlichen im Juni 2020 vorgestellte repräsentative Umfrage förderte deutliche Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Lieferdrohnen und Flugtaxis zutage (wir berichteten in Ausgabe 4/2020). Zum Abschluss der Projektlaufzeit stellten die Wissenschaftler nun zwölf „Wissenschaftsbasierte Handlungsempfehlungen: Lieferdrohnen und Flugtaxis in der Stadt?” vor, in denen unter anderem eine „Versachlichung und Differenzierung der Debatte“ gefordert wird. Wir wollten von Dr. Robin Kellermann, Verbundkoordinator des Forschungsprojekts Sky Limits wissen, warum dies erforderlich ist und wer hier am meisten gefordert ist. Drones fragt nach.

Von

Drones: Ist die öffentliche Akzeptanz die größte Sollbruchstelle auf dem Weg bis zur breiten Nutzung ziviler Drohnentechnologie im urbanen Kontext?

Dr. Robin Kellermann: Ja, weil jede Nutzung – beziehungsweise jedes Ausgesetztsein – einer Technologie generell deren Akzeptanz voraussetzt. Hierbei besteht für die Drohnentechnologie der erschwerte Umstand, dass sie im Vergleich zu vielen anderen innovativen Technologieangeboten meist stets öffentlich in Erscheinung tritt, die Technologie wegen ihrer starken Sichtbarkeit nicht nur punktuelle Akzeptanz einiger Nutzerinnen und Nutzer benötigt, sondern im Grunde übergesellschaftliche Akzeptanz erfahren muss. Die Ergebnisse unserer Einstellungsforschung haben gezeigt, dass der Einsatz von Lieferdrohnen und Flugtaxis aktuell deutliche Ablehnung erfährt, insbesondere aufgrund von Sicherheitsbedenken und der Wahrnehmung des fehlenden Nutzens. Mehrheitliche Zustimmung gibt es nur für medizinische Einsätze. Es scheint somit insgesamt noch ein sehr langer Weg zu sein, bis sich dieses Stimmungsbild – zumindest für einen breiten Einsatz von Lieferdrohnen und Flugtaxis – signifikant ändert.

Ein wichtiges Ziel des Forschungsprojekts Sky Limits war es, die Debatte über Drohnen zu öffnen und die Bevölkerung einzubeziehen. Haben Sie dieses Ziel erreicht?

Wir haben eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern über Workshops, Fokusgruppen und eine deutschlandweite Befragung einbezogen. Es braucht aber eine Verstetigung und Vergrößerung dieses Einbezugs. Unser Projekt dürfte hierfür im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten einen wichtigen Beitrag geleistet haben, denn wir haben den Eindruck gewonnen, dass wir mit unserer Arbeit eine Vielzahl von Akteuren erreicht haben, die dieses Anliegen zukünftig unterstützen und weitertragen wollen. 

In Ihren Handlungsempfehlungen fordern Sie eine „Versachlichung und Differenzierung der Debatte über den Einsatz von Drohnen für den Liefer- und Personentransport“. Wer ist hier Ihrer Meinung nach am meisten gefordert, diese Versachlichung herzustellen?

Zunächst einmal sollte es Aufgabe der Forschung sein, die oftmals leichtfertig postulierten Nutzungsmehrwerte – beispielsweise hinsichtlich der positiven Umwelteffekte – genauer zu untersuchen. Entsprechend sollte die Politik vor einer solchen Klärung überaus vorsichtig sein, die Vorteile des Drohneneinsatzes im Verkehrsbereich, hierauf lag unser Fokus, leichtfertig zu übernehmen. Letztlich sind aber aus unserer Sicht auch die Unternehmen selbst gefordert, ihre Argumente weniger imaginär als vielmehr glaubwürdig und sachlich vorzutragen. Das betrifft Hersteller als auch mögliche Mobilitätsdienstleister.

Sie fordern ein konzeptuelles Leitbild für den Einsatz von Lieferdrohnen und Flugtaxis. Inwiefern ist der Drohnen-Aktionsplan der Bundesregierung aus dem Mai 2020 dafür geeignet, ein solches Leitbild zu sein?

Der Aktionsplan ist in der Tat ein zentrales Konzeptpapier, doch es richtet sich im Kern an Wirtschafts- und Entwicklungsakteure. Zwar wird darin auch die Stärkung eines öffentlichen Dialogs mehrfach betont, um aus dem Aktionsplan aber ein gesellschaftlich getragenes Leitbild zu machen, braucht es aus unserer Sicht beispielsweise der konkreteren Formulierung verbindlicher Maßnahmen zur Öffentlichkeitseinbindung, der Klärung kommunaler Einflussmöglichkeiten oder auch des stärkeren Einbezugs sozialwissenschaftlicher und ökologischer Perspektiven in den bestehenden UAS-Beirat.

In Ihren zwölf Handlungsempfehlungen geht es ganz zentral und auf verschiedenen Ebenen darum, realistische und konsensfähige Perspektiven für den Einsatz von Lieferdrohnen und Flugtaxis zu entwickeln. Wie erklären Sie sich, das zwischen technisch-politischen Visionen und öffentlichem Bewusstsein oft eine deutliche Diskrepanz besteht?

Wie jede technologische Entwicklung wird auch die Entwicklung der Drohnentechnologie zunächst durch hochspezialisierte Gruppen vorangetrieben. Diese Entwicklung ist jetzt jedoch mittlerweile soweit aus dem Labor „entflogen“, die Anwendungsbereiche technisch, rechtlich – und auch politisch – soweit vorangeschritten, dass es inzwischen so wirkt als wäre es versäumt worden, stärker in der Breite über diese Entwicklungen zu informieren. Sei es aus Scheu vor öffentlicher Ablehnung oder fehlendem Bewusstsein dieser Notwendigkeit. Hier ist eine Diskrepanz entstanden, die nicht kleiner – sondern so zeigt unsere Umfrage – eher sogar noch größer geworden ist.




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