Nachgefragt bei Dr. med. Wibke Johannis vom Universitätsklinikum Köln

„Im Einzelfall zu überprüfen“

Der Transport von medizinischen Gütern ist eine Art Vorzeige-Anwendungsfall für Drohnen. Aber sind unbemannte Systeme dafür auch tatsächlich geeignet? Oder könnten Erschütterungen und Vibrationen der Drohne die Analyse-Ergebnisse verfälschen? Mit dieser Frage hat sich Dr. med. Wibke Johannis, Oberärztin im Institut für Klinische Chemie der Universitätsklinik Köln, im Rahmen eines Forschungsprojekts beschäftigt. Dabei wurde festgestellt, dass Blutproben beim UAS-Transport nicht stärker beeinträchtigt werden als bei der klassischen „Zu-Fuß-Methode“. (Wir berichten in Drones-Ausgabe 4/2022). Aber inwiefern lassen sich die Studienergebnisse auch auf andere medizinische Transportgüter übertragen? Drones fragt nach.

Von

Drones: Haben Sie die Ergebnisse der Studie überrascht?

Dr. Wibke Johannis: Bei der Validation von automatischen Transportformen für diagnostische Laborproben wird klassischerweise der „Zu-Fuß-Transport“ als Goldstandard mit den mutmaßlich für die Probe schonendsten Bedingungen festgelegt; die Betrachtung geht also eigentlich dahin, wie signifikant die Abweichung der Beschleunigungskräfte und der Blutwerte zwischen der zu testenden Transportform und dem „Zu-Fuß-Transport“ ist und weniger dahin, ob es überhaupt Abweichungen gibt. Dass wir bei unserer Drohnenstudie weder bei den gemessenen Vibrations- und Beschleunigungskräften höhere Werte gesehen, noch bei den Blutwerten ein Indiz für ein verstärktes Maß an Hämolyse festgestellt haben, hat uns tatsächlich überrascht.

Inwiefern sind Hämolyse oder andere Risikofaktoren wie Temperaturschwankungen auch bei traditionellen Methoden des Transports von Blutproben zu berücksichtigen? 

Diagnostische Blutproben sind tatsächlich empfindlich. Je nach Analyse, die durchgeführt wird, gibt es hier aber deutliche Unterschiede. Es gibt Marker im Blut, die nach Abnahme nicht besonders lange stabil nachweisbar sind oder eben nur, wenn besondere Maßnahmen – wie zum Beispiel eine Kühlung der Probe – durchgeführt werden. Dann wiederum gibt es Marker, die sich beispielsweise durch Hämolyse, also das Platzen von roten Blutkörperchen, deutlich verändern können. Die Hämolyse hängt in der abgenommenen Blutprobe von mehreren Faktoren ab: zum einen spielt die Zeitdauer des Transports immer eine Rolle, die Vibrations- und Beschleunigungskräfte sowie das Auftreten von extremen Temperaturen und Temperaturschwankungen. Insgesamt spielen diese Faktoren bei allen Transportformen eine Rolle, treten aber logischerweise in unterschiedlichem Maße auf. Auch gilt für alle Transportformen, dass die Auswirkungen dieser Faktoren zum Teil erheblich durch entsprechende Verpackungsmaßnahmen ausgeglichen werden können. Entsprechend kann keine Pauschalaussage zu der einen Transportform gemacht werden, ob sie jetzt „besser“ oder „schlechter“ ist als eine andere; da ist tatsächlich die spezifische Transportkonstellation im Einzelfall zu überprüfen.

Wie bewerten Sie persönlich das Potenzial von Drohnentransporten für die Verbesserung der medizinischen Versorgung? Und in welchen konkreten Einsatzfällen könnte der Transport medizinischer Güter aus Ihrer Sicht am Uniklinikum Köln Sinn ergeben?

Drohnen werden ja bereits im medizinischen Sektor genutzt. Hier kommen sie natürlich vor allem in Gegenden und Regionen zum Einsatz, in denen aufgrund der Beschaffenheit der üblichen Transportwege – in der Regel die Straße – eine tolerierbare Transportdauer nicht garantiert werden kann. Es muss sich hierbei ja auch nicht nur um Laborproben handeln, sondern kann natürlich auch Blutprodukte oder Arzneimittel betreffen, die im Einzelfall zügig zum Patienten gebracht werden müssen. Innerhalb des Universitätsklinikums Köln existiert natürlich bereits eine ausgefeilte Logistik, die den schnellen Transport aller entsprechenden kritischen Güter garantiert. Ziel unserer Studie war entsprechend viel mehr die wissenschaftliche Fragestellung, wie sehr sich der Drohnentransport auf die diagnostische Probe im Vergleich zum „Zu-Fuß-Transport“ unter ansonsten identischen Umgebungsbedingungen auswirkt.   

Sie haben darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der Studie nicht automatisch auf andere medizinische Transportgüter übertragen werden können. Bei welchen Transportgütern könnte die Beförderung per Drohne denn gegebenenfalls kontraproduktiv sein? Und welche Ursache-Wirkung-Kombination gilt es gegebenenfalls zu untersuchen?

Für diagnostische Blutproben habe ich ja bereits Transportfaktoren genannt, die Einfluss auf die Ergebnisse der Laboruntersuchungen haben. Inwiefern andere medizinische Transportgüter diesen Einflüssen ebenso unterliegen, kann ich nicht beurteilen. Dies liegt in der Verantwortung der entsprechenden zuständigen Abteilungen beziehungsweise Arbeitsbereiche. 

 

Lese-Tipp

Mehr zum Thema Transport von Blutproben per Drohne lesen Sie in Drones 4/2022. Sie haben das Heft verpasst? Kein Problem. Diese und alle weiteren noch verfügbaren Ausgaben können im Magazin-Shop unter www.drones-magazin.de/shop nachbestellt werden.



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