Luftaufklärung mit Airborne Optical Sectioning

Hellseher

Nimmt man Drohnen den „freien Blick“ auf ihre Umgebung, beraubt man sie gleichzeitig ihrer vielleicht größten Stärke. Es sei denn, man nutzt das vor einer Weile an der Johannes Kepler Universität Linz entwickelte Airborne Optical Sectioning, mit dem der Waldboden selbst unter geschlossenen Blätterdächern inspiziert werden kann. Eine Technologie, die die Österreicher mittlerweile kostenfrei zur Nutzung durch BOS-Einsatzkräfte anbieten. Und die zudem um eine Komponente zum Tracking beweglicher Objekte erweitert wurde.

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Es ist ein bisschen wie das Kinderspiel „Ich sehe was, was Du nicht siehst“. Nur dass in diesem Fall tatsächlich Dinge sichtbar werden, die anders nicht erkennbar sind. Das am Institut für Computergrafik der Johannes Kepler Universität (JKU) im oberösterreichischen Linz entwickelte Airborne Optical Sectioning (AOS) basiert auf dem Prinzip der synthetischen Blenden, das beispielsweise auch für Radar, Sonar, Ultraschall und dergleichen angewendet wird. Die Blende beziehungsweise Apertur der in UAS eingesetzten Kameras ist vergleichsweise klein, die Tiefenschärfe daher recht groß. Beim AOS wird mit Hilfe mehrerer kombinierter Aufnahmen die Blende rechnerisch deutlich erhöht, was zu einer geringeren Tiefenschärfe führt. Variiert man nun den Fokus, kann man einen überflogenen Wald gewissermaßen schichtweise darstellen. Für jede Fokusschicht sind genau nur die Objekte scharf erkennbar, die sich auf der entsprechenden Ebene befinden. Fokussiert man also auf den Waldboden, werden Bäume und Blätter darüber nahezu unsichtbar. Beim AOS wird also mit gewöhnlichen Kameradrohnen sequenziell das optische Signal einer großen Blende abgetastet und anschließend rechnerisch – wie bei einem Puzzle – ein vollständiges Bild zusammengesetzt.

Verborgenes wird sichtbar

Auf diese Weise lassen sich beispielsweise bei Such- und Rettungseinsätzen Thermalbilder von Gebieten generieren, die dem Kameraauge ansonsten verborgen geblieben wären. Mit dem positiven Nebeneffekt, dass vermisste oder verunglückte Personen rascher gefunden werden können. Um diese Option möglichst vielen Helfern zugänglich zu machen, bieten Univ.-Prof. Dr. Ing. habil. Oliver Bimber, Leiter des Instituts für Computergrafik an der JKU, und seine Kolleginnen und Kollegen eine kostenfreie AOS-App für BOS-Einheiten an. Diese ist mit neueren DJI-Drohnen kompatibel, die über Mobile SDK 5-Technologie verfügen. Beispielsweise Mavic 3 und Matrice 30.


Um bewegliche Objekte erkennen und tracken zu können, wurde eine Drohne mit zehn Kameras ausgestattet, deren simultanen Aufnahmen zur Berechnung einer AOS-Abbildung herangezogen werde

Die AOS-App wird anstelle des DJI Pilot-Systems genutzt, es lässt sich aber auch während des Fluges hin und her wechseln. Schließlich basieren beide auf DJIs Mobile SDK 5-Software. Die AOS-App bietet drei Modi, zwischen denen beliebig auf Knopfdruck getauscht werden kann. Im einfachen Flugmodus wird AOS gar nicht genutzt und ist ausgeschaltet. Im Scan-Modus wird AOS aktiviert und es kann mit der gewünschten Kamera – beispielsweise Thermal oder RGB – eine Fläche gescannt werden. Die Ergebnisse werden live in einem Splitscreen angezeigt: links der normale Video-Stream, rechts die AOS-Integralbilder. Der sogenannte Parameter-Modus bietet die Möglichkeit, interaktiv verschiedene Visualisierungsoptionen einzustellen.

Da beim AOS-Verfahren nacheinander aufgenommene Einzelbilder kombiniert werden, funktioniert das Ganze ausgesprochen effizient, wenn es statische Objekte wie beispielsweise liegende oder sitzende Personen zu erkennen gilt. Bewegt sich ein Objekt jedoch während des Zeitraums der Aufnahmen, entsteht eine Art Bewegungsunschärfe und die Sichtbarkeit ist nicht mehr gegeben. Eine Schwäche, die auch BOS-Nutzer der kostenfreien AOS-App in Kauf nehmen müssen. Aber vielleicht nicht mehr allzu lange. Denn das Forschungsteam um Oliver Bimber hat bereits eine Lösung für das Problem sich bewegender Personen oder auch Tiere im Blick: Inverse AOS.

Umgekehrtes Prinzip

Dabei wird das Prinzip „Bewegliche Drohne, statisches Objekt“ im Grunde einfach umgekehrt. Während sich der Beobachtungsgegenstand am Waldboden bewegt, verharrt die Drohne im Schwebeflug. In dieser Anordnung werden Zielobjekte wie beim AOS sehr zuverlässig erkannt, allerdings ist das zu inspizierende Gebiet natürlich auf das „Blickfeld“ der Kamera aus der Beobachtungsposition beschränkt. Aber auch dafür bietet das Prinzip des Airborne Optical Sectioning (AOS) eine mögliche Lösung: die Kombination mehrerer, simultan generierter Kamerabilder.


Softwaregestützt werden auf den Aufnahmen Anomalien detektiert

Um dies zu erproben, wurde eine Drohne mit einem etwa 10 Meter langen Kohlefaser-Ausleger bestückt, an dem zehn Kameras befestigt sind, die gleichzeitig auslösen. Auf diese Weise können in Echtzeit Bodendaten erfasst und auch mobile Ziele in einem größeren Suchgebiet detektiert und ihre Bewegung verfolgt werden. Da ein solches, weit ausladendes Fluggerät in der Praxis aber natürlich wenig praktikabel sein würde, geht man in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie der Otto von Guericke Universität Magdeburg noch einen Schritt weiter. Konkret geht es darum, die verschiedenen Bilder nicht von einem Fluggerät mit einer Vielzahl an Kameras, sondern von Drohnenschwärmen erstellen zu lassen. Ein weiterer Vorteil neben der höheren Praxistauglichkeit wäre dabei, dass die Positionierung der Kameras zueinander nicht fix, sondern variabel ist. Und so zum Beispiel an die lokale Dichte des Waldes und an die Bewegung des Objektes angepasst werden könnte. Bis es soweit ist, dürfte es zwar noch eine Weile dauern. Doch die Möglichkeiten, die sich durch die Kombination von AOS/IAOS sowie automatisierter oder gar (teil-)autonomer UAS-Schwärme ergeben könnten, wären groß. Zum Beispiel mit Blick auf eine frühzeitige Detektion von Glutnestern zur Waldbrandprävention.


Abbildungen: Oliver Bimber / Johannes Kepler University Linz




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