Brandwache
Im Januar 2025 hielten die katastrophalen Feuer im südlichen Kalifornien die Welt in Atem. Eines von vielen Beispielen für verheerende Vegetationsbrände, deren Anzahl und Intensität in Folge des menschengemachten Klimawandels zunehmen. Auch in Mitteleuropa führen immer ausgiebigere Trockenperioden dazu, dass die Gefahr von Waldbränden steigt. Das Unternehmen Dyrad Networks aus Eberswalde vertreibt innovative Sensorik zu deren Früherkennung. Und will nun mit speziellen Drohnen noch effizienter werden.
Von Jan Schönberg
Im Grunde haben sämtliche Notfallszenarien eines gemeinsam: Je früher sie erkannt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, durch gezielte Gegenmaßnahmen das Schlimmste verhindern zu können. Doch was tun, wenn niemand vor Ort ist, um heraufziehendes Übel zu erkennen? So entstehen beispielsweise Waldbrände in aller Regel im Verborgenen, ohne dass die erste Glut entdeckt wird. Wird das Feuer dann gesichtet, ist dieses häufig bereits kaum noch zu kontrollieren. Da aber nicht jedes Forstgebiet lückenlos von Personal überwacht werden kann, sind technische Hilfsmittel erforderlich. So wie die Silvanet-Sensoren von Dyrad Network aus dem brandenburgischen Eberswalde. Diese kleinen „Spürnasen“ können dauerhaft in Waldbrandrisikogebieten angebracht werden und nehmen selbst kleinste Veränderungen in der Gaszusammensetzung der Umgebungsluft wahr. Anhand bestimmter Parameter kann auf diese Weise erkannt werden, wenn in der Nähe ein Brand entsteht. Per LoRaWAN (Long Range Wide Area Network), einer speziell für das Internet of Things (IoT) entwickelten, besonders energieeffizienten und reichweitenstarken Funktechnologie, werden dann georeferenzierte Hinweise übertragen und eine direkte Notfallreaktion koordiniert.
Eine bereits erprobte Methode sieht vor, dass die Alarmsignale in einer zentralen Leitstelle der Feuerwehr eintreffen und von dort die Gegenmaßnahmen koordiniert werden. Beispielsweise durch das Aussenden einer „Kundschafterdrohne“, die den ausrückenden Einsatzkräften bereits vor dem Eintreffen am Ort des Geschehens wichtige visuelle Hinweise zu Art und Ausbreitung eines Brandes oder zu möglicherweise gefährdeten Personen in der Nähe übermittelt. Um an dieser Stelle noch effizienter zu werden und Feuer – im beste Fall – sogar bereits in einer Frühphase löschen zu können, werden bei Dyrad Networks in einem von der Europäischen Union kofinanzierten Entwicklungsvorhaben neue Technologien entwickelt. Im sogenannten Florian-Projekt sollen Solarenergie, KI und akustische Technologien genutzt werden, um Waldbrände nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch nachhaltig zu bekämpen. Und das, ohne dass Personal vor Ort sein müsste.
Das Silvaguard getaufte Konzept sieht vor, in eigens entwickelten Hangars speziell für diesen Einsatzzweck konzipierte UAS zu stationieren. Wird von einem Silvanet-Sensor eine verdächtige Konzentrationsveränderung bestimmter Luftgase detektiert, wird ein Impuls ausgelöst, sodass die nächstgelegene Drohne direkt in den Bereich fliegt, in dem ein Feuer ausgebrochen sein könnte. Idealerweise helfen dann Daten anderer Sensoren in der Gegend dabei, die Alarmquelle genauer zu lokalisieren. Mit Hilfe von KI-Algorithmen und entsprechender Sensorik an Bord steuert das unbemannte Flugsystem autonom dorthin, wo ein Brand im Frühstadium erkannt, gelöscht und größere Schäden verhindert werden können.
Mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 100 Kilometer pro Stunde erreicht die 81 Zentimeter hohe Silvaguard-Drohne eine Flugzeit von 60 Minuten
Zentrale Herausforderung
„Angesichts der jährlich zunehmenden Zerstörungskraft von Waldbränden reicht die Ultrafrüherkennung allein nicht mehr aus, weil die Reaktonszeiten bei der herkömmlichen Brandbekämpfung oft zu lang sind. Wir brauchen schnelle und autonom operierende Löschsysteme“, erläutert Carsten Brinkschulte, CEO und Co-Gründer von Dryad Networks „Silvaguard ist ein entscheidender Fortschritt und öffnet den Weg für KI-gesteuerte Drohnen, die Brände löschen, bevor sich diese ausbreiten.”
Während die Detektion von Bränden mit Wärmebildkameras und Sensorik zur Detektion von Sauerstoff-, Schwefel-und Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Luft mit aktueller Technik gut machbar ist, stellt die eigentliche Brandbekämpfung eine der zentralen Herausforderungen im laufenden Florian-Projekt dar. Vor allem, da auf Chemikalien verzichtet werden soll, um eine Schädigung des Ökosystems durch Löschmittel zu vermeiden. Ausreichend Wasser mitzuführen, ist mit Blick auf Nutzlast und Reichweite der Drohne jedoch schwerlich möglich. Zumal sich die Silvaguard-Drohne auch in einem dichten Baumbestand sicher und schnell fortbewegen soll, um mögliche Brandherde auch tatsächlich zu erreichen.
Druckwelle
Um dennoch aufkeimende Brände löschen und eine Ausbreitung verhindern zu können, wird mit verschiedenen alternativen Optionen experimentiert. Unter anderem mit Schallwellen. So werden beispielsweise gezielt Explosionen genutzt, um Feuer in Öl- und Gasbohrtürmen zu bekämpfen. In Schweden wurden vor einigen Jahren auch Erfolge durch Bombenabwürfe bei Waldbrandszenarien erzielt. Abgesehen von den Kollateralschäden ist das Löschprinzip im Grunde erstaunlich simpel. Zum einen wird das Feuer durch die Druckwelle räumlich vom Brennstoff getrennt. Zum anderen verbraucht die Explosion den Großteil des Sauerstoffs in der Umgebung und das Feuer wird erstickt.
Dank der verbauten Solarpanele soll der Drohnenhangar auch ohne externe Stromversorgung zuverlässig funktionieren
Dies ist mit Drohnen nicht umsetzbar und im Kontext kleiner Schwelbrände und aufzüngelnder Flammen auch nicht sinnvoll. Dennoch könnten Schallwellen in diesem Kontext hilfreich sein. In der Theorie funktioniert das Ganze im Grunde so, als wenn eine Kerze ausgeblasen oder eine Flamme durch einen Windstoß gelöscht wird. In einem an der Drohne als Payload befestigten Lautsprecher wird der Schall durch eine bewegliche Membran erzeugt, die eine Transversalwelle erzeugt. Die Luftbewegung trennt auch hier die Flamme von ihrer Nahrung und das Feuer erlischt.
Aktive Eingriffe
Bis es soweit ist, dürfte noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten sein. Und wie effektiv das UAS-gestützte Löschen von Bränden mit Schallwellen einmal sein wird, bleibt sicher abzuwarten. Das Vorhaben demonstriert jedoch auf eindrücklich Weise, dass Drohnen in Notfallszenarien nicht „nur“ als passiv Beobachtende zur Sammlung von Daten wertvolle Dienste leisten, sondern auch aktiv in spezifische Szenarien eingreifen können. Sei es durch das Abwerfen von Hilfsmitteln für die Rettungskräfte oder eben durch direktes Einwirken auf das Geschehen vor Ort.