Kommentar

Gemeinsame Wege aus dem Zuständigkeitsdilemma

Im Herbst 1962 erschütterte die SPIEGEL-Affäre die Republik. Und wenn es die Schlagzeile „Bedingt abwehrbereit“ nicht schon damals gegeben hätte, müsste man sie in diesen Tagen glatt neu erfinden. Denn auch mit Blick auf die Detektion illegal betriebener Drohnen sowie deren Abwehr im Fall einer konkreten Bedrohungslage ist Deutschland – man könnte auch sagen Europa – nur bedingt abwehrbereit. Bestenfalls. Und zu allem Überfluss scheint der Ausweg aus dem herrschenden Kompetenz- und Zuständigkeitsdilemma in weiter Ferne.

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Es ist eine Krise mit Ansage. Denn spätestens seit dem Dezember 2018 und den Drohnensichtungen rund um den Flughafen Gatwick in der Nähe von London ist klar, dass illegal betriebene UAS ein Risiko für Anlagen der kritischen Infrastruktur darstellen. Fast sieben Jahre ist das nun her. Auf den ersten Schock folgten Ankündigungen, Testprojekte und die ein oder andere Unterbrechung des Flugbetriebs auf großen europäischen Airports, zuletzt in München. Und jedes Mal aufs Neue scheint die Überraschung groß zu sein, dass man dem Treiben im Grunde machtlos gegenübersteht. Eine Erfahrung, die sich in den letzten Monaten nach Drohnensichtungen über Industrieanlagen und militärischen Liegenschaften wiederholte.

Daher drängt sich die Frage auf, wann wir endlich damit beginnen, unsere Sicherheitsarchitektur an dieser Stelle den technischen Realitäten anzupassen. Sowohl technisch als insbesondere organisatorisch. Dabei scheint die Frage der Technik fast schon das kleinere Problem zu sein. Denn vor allem zur Herstellung eines umfassenden Lagebilds für den unteren Luftraum gibt es Lösungen. Auch von Unternehmen aus Deutschland und dem europäischen Ausland. Es muss nur jemand bereit sein, diese zu bezahlen. An dieser Stelle schieben sich in vielen Fällen – so mein Eindruck – die verschiedenen Behörden aus Bund und Ländern den Schwarzen Peter zu. Oder verweisen auf die privaten Infrastrukturbetreiber. Diese sind ihrerseits zurückhaltend, da neben Haftungsfragen eben auch noch rechtliche und organisatorische Aspekte zu klären sind. Und weil man den Aktionären natürlich möglichst positive Zahlen präsentieren möchte.

Die föderale Sicherheitsarchitektur in Deutschland orientiert sich nicht zuletzt an terrestrischen Merkmalen wie Landesgrenzen oder Zäunen. Und hier liegt im Grunde das entscheidende Problem. Während zum Beispiel direkt über dem Flughafengelände die Bundespolizei zuständig ist, muss jenseits des Zauns die jeweilige Landespolizei für Recht und Ordnung sorgen. Für eine illegal betriebene Drohne ist der Zaun – trotz Natodraht – aber keine Hürde. Für den Luftraum über militärischen Liegenschaften wiederum ist allein die Bundeswehr zuständig. Was viele Jahrzehnte gut funktionierte, ist schlicht und ergreifend nicht geeignet, um der missbräuchlichen Nutzung moderner Technologien Herr zu werden.

Alleingänge wie die Anpassung des bayerischen Polizeigesetzes oder Einzelmaßnahmen wie die Novellierung des Bundespolizeigesetzes sind da bestenfalls ein erster Schritt. Im Grunde legen sie jedoch vor allem das grundsätzliche Problem offen. Ein Nebeneinander von Kompetenzen, lange Kommunikationswege und Schwarze-Peter-Manöver hinsichtlich der Bereitstellung der erforderlichen Finanzmittel sind nach Lage der Dinge denkbar ungeeignet, um auf die Herausforderungen zu reagieren, die unbemannte Flugsysteme bei vorsätzlich illegaler Nutzung darstellen können.

Die zuverlässige Detektion und im Ernstfall die physische Zerstörung feindlicher UAS ist eine nationale Herausforderung, die nur von Bund, Ländern, Kommunen und der Industrie gemeinsam gemeistert werden kann. Eine verpflichtende elektronische Kennzeichnung aller Luftraumteilnehmer zur Herstellung eines gemeinsamen, bundesweit einheitlichen Luftlagebilds wäre ein wichtiger erster Schritt, um Infrastruktur, Industrieanlagen und – last but not least – die Bevölkerung zu schützen. Zudem werden europaweit harmonisierte Standards benötigt, da UAS keine Landesgrenzen kennen. Klare, praxistaugliche Kompetenzverteilungen und ein zumindest bundesweit koordiniertes Vorgehen sind der einzige Weg aus dem Zuständigkeitsdilemma und die einzige vernünftige Methode, um Abwehrbereitschaft herzustellen.






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