Surface Avatar

Drohnentests in Oberpfaffenhofen – gesteuert von der ISS

Wenn es um die Steuerung von Drohnen über enorme Distanzen geht, ist im Grunde weniger die Entfernung als vielmehr die Erdkrümmung der limitierende Faktor. In Oberpfaffenhofen wurde kürzlich ersichtlich, dass die Kommandozentrale und die aus der Ferne kontrollierten Technologien nicht einmal auf demselben Planeten sein müssen. Denn beim jüngsten „Surface Avatar“-Experiment erhielten die unbemannten Systeme Rollin‘ Justin, Interact, Bert und Spot ihre Anweisungen von der Internationalen Raumstation ISS.

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Unbemannte Systeme, die kollaborativ komplexe Aufgaben erledigen und auf unvorhergesehene Ereignisse oder Zwischenfälle reagieren können, sind eine wichtige Zukunftstechnologie. Sei es in Katastrophenfällen, im Kontext internationaler Krisen – oder bei der Erkundung eines fremden Planeten. Wie Letzteres konkret aussehen könnte, wurde im Projekt Surface Avatar erforscht. Das gemeinsame Ziel der Europäischen Weltraumorganisation ESA sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) war dabei die Entwicklung von Technologien, um aus dem Orbit mehrere robotische Avatare auf einer Planetenoberfläche teleoperieren und so gezielt für Forschungs- und Erkundungsprojekte einsetzen zu können.

Haptische Rückmeldung

Neben Herausforderungen wie der komplexen Regelungstechnik zur Kompensation der Zeitverzögerung im Weltraum ging es insbesondere darum, eine multimodale Benutzerschnittstelle zu entwickeln, die es menschlichen Benutzerinnen und Benutzern ermöglicht, die Roboter als intelligente Mitarbeiter einzusetzen. Und durch direkte haptische Rückmeldungen stärker in die von Robotern und unbemannten Systemen umgesetzten Missionen einbezogen zu werden. „Zukünftige Mond- und Marsstationen, einschließlich der Habitate für Astronautinnen und Astronauten, werden von Robotern aufgebaut und gewartet werden, die unter Anleitung der Raumfahrenden agieren. Unsere neuesten Regelungs- und KI-Algorithmen ermöglichen es einer einzigen Person, ein komplettes Team unterschiedlichster Roboter zu kommandieren. Mit dieser Technologie ist unser DLR-ESA-Team weltweit führend“, erläuterte Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer, Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik im DLR, am Rande eines früheren „Surface Avatar“-Praxistests im Januar 2024.

Bei der finalen Testkampagne Ende Juli 2025 wurden erstmals vier Roboter von NASA-Astronaut Jonny Kim kommandiert. Während dieser sich an Bord der ISS befand, absolvierte neben dem humanoiden DLR-Roboter Rollin‘ Justin, ESA-Rover Interact und dem vierbeinigen DLR-Roboter Bert mit dem ESA-System Spot von Boston Dynamics erstmals noch ein viertes Robotersystem die für das Experiment vorgesehenen Aufgaben in der Testkulisse des „irdischen Mars-Habitats“ in Oberpfaffenhofen. Neben der Sammlung von Proben, deren Platzierung auf einer Sammelplattform und dem abschließenden Transport der Probenbehälter mit einem anderen Roboter zur Basisstation, stand auch die Erkundung einer Höhle auf dem Plan. In dem Zuge wurde auch der nach DLR-Angaben weltweit erste Roboter-Roboter-Transport realisiert. Der Interact-Rover hatte dafür DLR-Roboter Bert in seinen Transportkorb geladen und brachte diesen – telekommandiert durch den Astronauten im All – in die vorbereitete Höhle. Dort setzte der Rover den kleinen Vierbeiner vorsichtig mit seinem Greifarm auf dem Boden ab. Auch die bewusst vorbereitete „Komplikation“, dass eines der vier Beine aufgrund eines Defekts nicht einsetzbar war, konnte mithilfe von auf dem Prinzip des „bestärkenden Lernens“ basierenden KI-Algorithmen gemeistert werden. So ließ Astronaut Kim den „Verletzten“ verschiedene Gangarten ausprobieren, bis Bert eine funktionierende Strategie für die Fortbewegung auf drei Beinen gefunden hatte. „Das Surface-Avatar-Experiment ist ein Meilenstein in der Kollaboration von Menschen und Robotern im Weltall. Wir haben dadurch alle technischen Voraussetzungen erreicht, um komplexe robotische Missionen auf dem Mars zu steuern, auch in Richtung einer zukünftigen permanenten lunaren Forschungsstation“, erklärte Prof. Alin Albu-Schäffer.

Emotionales Ende

Da nur ein enges Zeitfenster von etwa zweieinhalb Stunden für die Durchführung der Experimente zur Verfügung stand, mussten die geplanten Experimente und Testszenarien konzentriert und effizient abgearbeitet werden. Umso emotionaler fiel der Abschluss der Kampagne aus, als sich NASA-Astronaut Jonny Kim auf der Internationalen Raumstation und DLR-Wissenschaftler Neal Lii in Oberpfaffenhofen mittels DLR-Roboter Rollin‘ Justin die Hand reichten. Neben der symbolischen Geste zum Ende einer langen und intensiven Projektphase war das Ganze wiederum ein eigenes Experiment. Per Kraftrückkoppelung konnten Jonny Kim und Neal Lii trotz gut 400 Kilometern Distanz und ohne direkte Berührung die Kraft und Bewegung des gegenseitigen Händeschüttelns spüren. Vermittelt durch einen künstlichen Surface Avatar.




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