„Menschen bei der Arbeit entlasten“

Die Nutzung unbemannter Systeme in industriellen Produktionsprozessen bietet viele spannende Zukunftsperspektiven. Doch je enger Mensch und Maschine kooperieren, desto wichtiger ist die Akzeptanz der eingesetzten Technologie. Welche Herausforderungen das Miteinander von Drohnen und Menschen in gemeinsamen Arbeitsräumen bereithalten kann, weiß Olga Skrebec, Doktorandin am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Drones fragt nach.

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Drones: Welche Herausforderungen stellt das Miteinander von Menschen mit automatisiert operierenden Drohnen für die Organisation künftiger Arbeitsprozesse dar?

Olga Skrebec: Wir fokussieren uns auf den Einsatz von Flugrobotern in der industriellen Indoor-Produktion. Hierzu existiert noch kein geltendes EU-Recht. Daher liegt die aktuelle Hauptherausforderung in der physischen und psychosozialen Sicherheit für die Mitarbeitenden. Primäre und sekundäre physische Risiken sind unter anderem Absturz der Drohne, herunterfallende Einzelteile, Schnittverletzungen, Kollisionen und Brandgefahr durch die Akkus. Bei psychosozialen Faktoren haben wir in einer ersten Untersuchung im neuen Forschungszentrum für das Engineering Smarter Produkt-Service Systeme der Ruhr-Universität Bochum (ZESS) Lärm als zentrale Herausforderung identifiziert. Auch wenn die Geräuschkulisse der Drohnen die vorgeschriebene Grenze für Lärmbelästigung am Arbeitsplatz unterschreitet, kann sie potenziell durch andauernde Beschallung zu Erschöpfung und Konzentrationsminderung führen. Weitere Herausforderungen müssen aus wissenschaftlicher Perspektive noch identifiziert werden. 

Kann man dabei vielleicht auf Erfahrungen aus anderen Forschungsfeldern zurückgreifen?

Basierend auf der Forschung zur Mensch-Maschine-Interaktion kann zum Beispiel angenommen werden, dass Vertrauen in Drohnentechnologie eine wichtige Rolle spielt. So kann zu geringes Vertrauen in einer Missachtung des Aufgabenbereichs der Drohne führen. Sollen zum Beispiel Rettungskräfte von einer Drohne durch das Gebäude geführt werden, um zum Notgeschehen zu gelangen, könnten diese einen anderen Weg nehmen, weil sie befürchten, dass die Drohne manipuliert wurde. Das wiederum kann wertvolle Zeit kosten, die für die Lösung der Notsituation unabdingbar ist. Ein zu hohes Vertrauen kann hingegen dazu führen, dass kritische Arbeitsprozesse übersehen werden. Wenn eine Drohne mithilfe automatisierter visueller Datenverarbeitung Schäden an einer Industrieanlage detektiert und die visuellen Daten nicht mehr durch Menschen gegengeprüft werden, kann es passieren, dass die Künstliche Intelligenz Risse im Gebäude nicht erkennt, die nachträglich zu einem Unfall führen können. Diese Beispiele sind allerdings lediglich Annahmen, da bisher nur wenige empirische Daten zum industriellen Einsatz von Drohnen vorliegen.

Erwarten Sie, dass es Unterschiede in der Wahrnehmung von automatisierten Bodenfahrzeugen und unbemannten Flugsystemen gibt? Werden Flugdrohnen eher als Bedrohung wahrgenommen als unbemannte Fahrzeuge?

Flugroboter haben ein geringeres direktes Interaktionspotenzial mit Menschen als Bodenroboter. Im industriellen Setting bestehen ihre Hauptaufgaben im Transport von Gegenständen, der Ausführung physischer Operationen und der Sammlung und Verarbeitung visueller Daten. Bodenroboter werden bei einer hohen Interaktion im besten Fall als Team-Mitglied wahrgenommen und dadurch positiv bewertet. Drohnen hingegen werden in Zukunft ihre Aufgaben hauptsächlich unabhängig von Menschen durchführen. Eine positive Wahrnehmung kann entstehen, sobald Mitarbeitende die Erfahrung machen, dass Drohnen ihnen gefährliche oder gesundheitsschädigende Aufgaben abnehmen. Langfristig sollte es diesbezüglich jedoch keine Unterschiede geben.

Es geht also auch darum, Akzeptanz aktiv herzustellen beziehungsweise zu beschleunigen?

Die Kernfrage für uns lautet: Wie können wir die Mensch-Drohnen-Interaktion von Beginn an so gestalten, dass Drohnen als positiver Mehrwert wahrgenommen werden? Weiterhin besteht ein Hauptunterschied in der visuellen Wahrnehmung. Fliegen Drohnen über dem Kopf, werden sie zuerst aufgrund ihrer Geräuschkulisse erkannt, während Bodenroboter visuell schnell erfasst werden können. Daher lautet eine weitere Forschungsfrage: Werden Menschen stärker durch Drohnen abgelenkt, weil sie häufiger zu den Flugrobotern aufschauen beziehungsweise sich umdrehen, sobald sie sie in der Peripherie wahrnehmen? 

Inwiefern könnte die Angst davor, durch Roboter oder Drohnen ersetzt zu werden und den Arbeitsplatz zu verlieren, Einfluss auf deren Wahrnehmung haben?

Das ist eine kontroverse Frage. In der Praxis werden Mitarbeitende in der Regel zu sogenannten Wissensarbeiterinnen und -arbeitern umgeschult, um mit neuen Technologien gemeinsam arbeiten zu können. Das heißt, dass manuelle Tätigkeiten komplexeren Bedienaufgaben weichen. Hierbei werden über Computersysteme die Interaktionen smarter Technologien überwacht und gesteuert. Inwiefern die Wahrnehmung beeinflusst wird, hängt im Einzelnen davon ab, wie Organisationen neue Technologien einführen. Durch angemessene Kommunikations- und Schulungsinterventionen kann von vornherein eine hohe Akzeptanz in Veränderungen am Arbeitsplatz aufgebaut werden. Sollten neue Technologien jedoch gemeinsam mit einem Stellenabbau eingeführt werden, der vielleicht überhaupt nichts mit der Implementierung der Robotik zusammenhängt, werden negative Assoziationen gebildet. 

Und welche Rolle spielen Farbe, Form, Größe und Geräusche bei der Wahrnehmung, ob eine Drohne eine Bedrohung darstellt oder nicht?

Zu Farbe, Form, Größe und Geräuschen muss noch intensiv geforscht werden. Grundsätzlich werden Roboter mit Gesichtern – auch bei Drohnen – als positiver wahrgenommen. Dies gilt bisher nur für den privaten Gebrauch. Bei der Arbeit kann eine Verniedlichung der Roboter hingegen zu geringerem Vertrauen in ihre arbeitsbezogenen Fähigkeiten führen.

In Ihrer Forschung fokussieren Sie sich insbesondere auf Fragen der Arbeitssicherheit. Welche anderen Faktoren könnten für das Miteinander von Drohnen und Menschen in der Industrie 4.0 eine Rolle spielen?

Der angemessene Einsatz in der Industrie von sogenannten Unmanned Aerial Vehicles  ist der wichtigste Punkt, der uns aktuell beschäftigt: Inwiefern können Drohnen einen Mehrwert gegenüber Bodentransportsystemen leisten? Kann der Transport von C-Teilen durch Drohnen beschleunigt werden? Ist der Einsatz insbesondere bei weiter entfernten Lagern zur Produktionsstätte sinnvoll? Können Mitarbeitende entlastet werden, indem sie nicht mehr in Höhen arbeiten müssen und dadurch eine geringere Gefährdung besteht? Das alles und noch viele andere sind Fragen mit denen sich unsere Kooperationspartnerinnen und -partner beim Lehrstuhl für Produktionssysteme (LPS) beschäftigen. Mit ihnen gemeinsam führen wir aktuell unsere Studie zur Risikowahrnehmung von Drohnen in Produktionssystemen durch.

Mit Blick auf die Industrie 4.0 ist oft von menschenzentrierten Arbeitsbedingungen die Rede. Was genau ist das eigentlich? Und inwiefern könnten Drohnen negativen Einfluss darauf haben?

Menschenzentrierte Arbeitsbedingungen sind ein breites Feld. Sie umfassen zunächst Aufgabencharakteristika wie erlebte Autonomie bei der Arbeit, persönlich erlebte Wichtigkeit der Aufgabe, Möglichkeiten, eigenständig Entscheidungen zu treffen, Identifikation mit der Aufgabe und konstruktives Feedback bei der Ausführung. Weiterhin gehören Komplexität der Aufgaben, Spezialisierung und der breite Einsatz der eigenen Fähigkeiten hinzu. Genauso wichtig sind aber auch die soziale Unterstützung durch Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzte sowie individuelle Weiterbildungsmöglichkeiten – um nur einige zu nennen. Wie jede Technologie können Drohnen einen negativen Einfluss haben, wenn sie die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einschränken. Sollte der Einsatz der Drohnen zum Beispiel dazu führen, dass die Mitarbeitenden keinerlei Lauf- und Bewegungsstrecken haben, werden sie keine Möglichkeit mehr haben, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen oder andere Aufgaben als zum Beispiel Montagearbeiten wahrzunehmen. Das kann zu einer deutlichen Einschränkung der Arbeitszufriedenheit durch Senkung der wahrgenommenen Autonomie führen.

Und was bedeutet das für den künftigen Drohneneinsatz im industriellen Umfeld?

Das bedeutet, dass es nicht um den negativen Einfluss der Drohnen geht. Es geht darum, wie Drohnen am Arbeitsplatz eingesetzt werden. So könnte sich der Drohneneinsatz auch motivational positiv auf Mitarbeitende auswirken, zum Beispiel durch Aufgabenerweiterung oder die Möglichkeit, komplexere Entscheidungen zu treffen. Drohnen sollten dazu dienen, Menschen bei der Arbeit zu entlasten und ihnen neue Möglichkeiten bieten, sich individuell weiterzubilden und Zufriedenheit während der Arbeitszeit zu schaffen.

 

MITMACHEN

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich Olga Skrebec intensiv damit, wie das künftige Miteinander von Drohnen und Menschen im industriellen Umfeld gestaltet werden kann. Dabei geht es insbesondere um Sicherheitsaspekte beim Einsatz von Drohnen in Innenräumen. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Produktionssysteme wird zu diesem Zweck derzeit eine Online-Fragebogenstudie durchgeführt. Die kurze Umfrage erfolgt anonym, ist in wenigen Minuten erledigt und findet sich hier: https://bochumpsych.eu.qualtrics.com/jfe/form/SV_3lVGqkGYxypiF6K




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