DLR erforscht den nahen Nachlauf von Windturbinen

Eine neue Messmethode und ihr erster großer Auftritt am Himmel: Ein Schwarm aus zehn Drohnen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) führte im Projekt NearWake dort Messungen durch, wo stationäre Messgeräte nicht hinkommen: direkt vor und hinter den Windturbinen OPUS 1 und OPUS 2 des DLR-Forschungsparks Windenergie WiValdi in Krummendeich.

Im Fokus des Projekts NearWake steht die Ausbreitung des nahen Nachlaufs (auf Englisch near wake). Darunter versteht man die Strömung direkt hinter der Turbine einer Windenergieanlage. Sie ist weniger schnell und verwirbelt. Denn die Turbine entzieht der Atmosphäre Energie, indem sie den Wind abbremst und seine Bewegungsenergie in elektrische Energie – also Strom – umwandelt. Die Forschenden konzentrierten sich auf eine Entfernung von maximal zwei Rotordurchmessern hinter der Turbine. In diesem Fall waren das 230 Meter. Die Einheit Rotordurchmesser erlaubt es, unterschiedlich große Anlagen zu vergleichen.

Turbulent und komplex: der nahe Nachlauf

„Der Nachlauf ist ein wichtiger und interessanter Forschungsgegenstand. Meistens stehen Windenergieanlagen nicht allein, sondern zu mehreren in Windparks. Das bedeutet, der Nachlauf der einen Anlage trifft auf die nachfolgenden Anlagen. Das kann deren Leistung und die Lasten, die auf Rotorblätter und Anlagen wirken, erheblich beeinflussen“, erklärt Dr. Norman Wildmann. Er betreut das Projekt NearWake am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen. „Deshalb zählt die wissenschaftliche Untersuchung des Nachlaufs zu den Kernaufgaben des DLR-Windforschungsparks. Gleichzeitig ist das Thema hochaktuell für die Branche im Onshore- wie Offshore-Bereich,“ beschreibt der DLR-Wissenschaftler. Denn beim sogenannten Repowering – dem Austausch älterer durch neue Anlagen – werden die Anlagen zum einen größer und die Abstände zueinander geringer. So soll die Windenergie noch effizienter, wirtschaftlicher und flächensparender werden. „Mit größeren und näher aneinander stehenden Anlagen verändern sich aber auch die Nachlauf-Effekte. Sie werden deutlich turbulenter und damit komplexer. Die Physik im nahen Nachlauf beeinflusst zudem den fernen Nachlauf und dieser wiederum die Lasten, die auf die Anlagen wirken sowie die Betriebsführung“, sagt Wildmann.

Trotz Verwirbelung: die Formation hält und sammelt Daten

Um den Nachlauf-Effekten genauer auf die Spur zu gehen, war für die NearWake-Kampagne ein kleines DLR-Team vor Ort in Krummendeich. In drei Wochen führten sie mit einem Drohnenschwarm rund einhundert Flüge durch. Die kleinen Drohnen sind weniger als ein Kilogramm schwer und für Windmessungen optimiert. „Sie sind der Turbulenz ausgesetzt und müssen gegensteuern, um ihre Position zu halten. Sie sind also selbst kleine Wetterfahnen“, erläutert der Forscher. Ein am DLR entwickelter Algorithmus bringt die gesammelten Messdaten zusammen und wertet sie aus.

Das Team um Norman Wildmann hat dafür eine „Choreografie“ ausgearbeitet, geübt und in mehreren Flugkampagnen zwischen den beiden Windenergieanlagen des Forschungsparks in bis zu 250 Meter Höhe ausgeführt. Die Drohnen positionierten sich in zwei Linien zu jeweils fünf Stück. Die erste Linie einen halben (57,5 Meter) und die zweite Linie einen ganzen Rotordurchmesser (115 Meter) hinter der ersten Anlage. Dann hieß es, die Position bestmöglich für 15 Minuten zu halten.

Umfassende Datengrundlage für Modellierung und Simulation

„Auch im nahen Nachlauf haben die Flugmanöver zuverlässig funktioniert, sodass wir umfassende und qualitativ hochwertige Daten sammeln konnten. Diese Daten entsprechen den Daten, welche die stationär verbauten Messgeräte aufzeichnen,“ bilanziert Norman Wildmann. Ein erstes Ergebnis: Speziell die besonders turbulenten Luftwirbel an den Blattspitzen bewegen sich mit dem Wind im Nachlauf weiter mit als bisher angenommen und sind eine wichtige Größe. Wie schnell sie sich auflösen, hängt vor allem von der Atmosphäre und dem Wetter ab. Je genauer man die Prozesse und Zusammenhänge im nahen Nachlauf versteht, desto besser lässt sich am Computer simulieren, was zwischen den Anlagen passiert und wie sie sich beeinflussen. „So können wir in Zukunft viel exakter berechnen, welche Leistungen und Lasten erwartbar sind. Das unterstützt die Industrie dabei, Turbinen und ganze Windparks besser auszulegen und zu planen und den Betrieb entsprechend zu gestalten.“ Bereits jetzt sei das Interesse von Herstellern und Betreibern von Windenergieanlagen groß, berichtet Wildmann.

Die physikalischen Phänomene des Nachlaufs von Windenergieanlagen ähneln denen von Wirbelschleppen bei Flugzeugen. Auch wenn im Luftfahrt-Kontext die Geschwindigkeiten und die Umgebung anders und die Verwirbelungen deutlich stärker sind. Das DLR-Institut für Physik der Atmosphäre kann auf jahrzehntelange Forschung im Luftfahrtbereich zurückgreifen. Bei den Arbeiten im Projekt NearWake profitiert es von diesem Know-how, speziell in den Bereichen Messtechnik und Simulation.

Mit dem Forschungspark Windenergie WiValdi in Krummendeich verfügt das DLR seit Sommer 2023 über eine einzigartige Großforschungsanlage. Ihr Ziel ist es, die Windenergie mit all ihren Einflussfaktoren besser zu verstehen. Dazu ist der Forschungspark – von den Fundamenten bis in luftige Höhen – mit mehr als 2.000 Sensoren ausgestattet. Sie befinden sich in den beiden Windenergieanlagen, auf Messmasten und im Gelände und liefern einen steten Strom an wertvollen Daten.


Weitere Infos zum Projekt NearWake

Die Federführung des Projekts liegt beim Hersteller von Windenergieanlagen ENERCON und Wobben Research & Development (WRD). Mit beiden arbeitet das DLR intensiv im Forschungspark WiValdi zusammen. Zu den weiteren Projektteilnehmenden von NearWake zählen die Technische Universität München (TUM), das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sowie die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (ForWind). Das Projekt läuft noch bis 2026.


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